Das Gutenberg-Museum in Mainz – ein angestaubtes Disneyland?!

Nachbau der Gutenberg'schen Buchdruckpresse

In einem Museum, welches sich DER Innovation des zweiten Jahrtausends widmet, sollte man davon ausgehen, dass diese Erfindung auch entsprechend präsentiert wird. Die Rede ist von Johannes Gutenberg, der in den USA zum Mann des zweiten Jahrtausends erklärt wurde. Die Rede ist auch von seiner bahnbrechenden Erfindung: Des Buchdrucks mit beweglichen Lettern.

Ich bin nach Mainz gereist, auch um das Gutenberg-Museum zu sehen. Und um es vorweg zu nehmen: Ich war – und bin es immer noch – schwer enttäuscht! Und das aus verschiedensten Gründen:

1. Aus der Zeit gefallen

Das Museum ist komplett aus der Zeit gefallen. In den Ausstellungsräumen ist es ziemlich dunkel und die Beschriftungen der einzelnen Exponate sind schwer zu lesen. Die Schriftgröße mag eine Rolle spielen, aber auch das funzelige Licht. Alles wirkt in diesem Museum etwas abgestanden.

Es ist für mich immer wieder schwer nachvollziehbar, warum in (deutschen) Museen ein Fotografierverbot herrscht. So auch in diesem Museum, in dem mit Argus-Augen darauf geachtet wird, dass bloß niemand ein Foto macht. Ich habe durchaus nichts dagegen, dass kein Blitz beim Fotografieren genutzt werden darf. Aber ein pauschales Verbot Fotos zu machen, ist meines Erachtens Blödsinn!

Geschlossene Bleisatz-Druckform zum Druck eines Ablassbriefes
Geschlossene Bleisatz-Druckform zum Druck eines Ablassbriefes

2. Dröge Präsentation

Ja, ich interessiere mich für die Geschichte des Drucks und der Typografie. Nicht nur, weil ich beruflich viele Berührungspunkte zur „Schwarzen Kunst“ habe. Sondern auch, weil es ein Jahrhunderte altes Handwerk ist, welches sich bis ins neunzehnte Jahrhundert kaum verändert hat und seitdem eine rasante Entwicklung und Veränderung erfahren hat.

3. In den 80er Jahren stehen geblieben

Mein persönlicher Eindruck, dass das Museum irgendwann in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts stehen geblieben ist, zeigt sich auch an der Ausstellung und den Exponaten. Eine 1-Farben GTO und eine Berthold Diatype soll die Entwicklung vom Hochdruck mit Bleilettern hin zum modernen (!) Offsetdruck verdeutlichen. Dass heute keine ernst zu nehmende Offsetdruckerei mit einer Druckmaschine, die in einem Druckvorgang nur eine (!) Farbe drucken kann, mehr druckt, wird nicht deutlich gemacht. Auch ist der Fotosatz schon lange kein gängiges Verfahren in der Druckvorstufe mehr. Die Firma Berthold ist auch aus diesem Grund seit 1993 längst Geschichte…

4. Unvollständig

Mir ist bewusst, dass das Gutenberg-Museum ein Museum des Buchdrucks ist. Aber wenn schon die Techniken der Radierung, des Kupferstichs und der Lithografie behandelt werden, dann sollten auch der (moderne!) Tiefdruck, der Flexodruck und der Siebdruck Einzug in die Ausstellung erhalten!

5. Historisch falsche Demonstration

Was mich jedoch am meisten enttäuschte war die Vorführung der „Gutenberg-Presse“ im Untergeschoss des Museums. Hier wird angeblich jede Stunde Gutenbergs Erfindung erklärt und vorgeführt. Es ist im Übrigen der einzige Bereich im Museum, wo ausnahmsweise das Fotografieren erlaubt ist.

Was ich jedoch erlebte, war eine Art „Disneyland“. Es wird, historisch vollkommen richtig, erklärt, wie der Schnitt der Stahlstempel für die einzelnen Buchstaben durchgeführt wurde und diese Stahlstempel in einem Handgießgerät zum Guss der Bleilettern verwendet werden. Wie aber aus einzelnen Bleilettern und Regletten eine Zeile im Winkelhaken gesetzt wird, wird nicht gezeigt oder hinreichend erklärt.

Schließzeuge einer geschlossenen Druckform
Schließzeuge einer geschlossenen Druckform

Der Setzkasten im Hintergrund der Druckerpresse ist also nur Dekoration. Es wird auch nicht erklärt, wie eine Druckform aus den einzelnen Zeilen, Regletten und anderem Blindmaterial im Setzschiff aufgebaut und zu guter Letzt in einem Schließrahmen für den Druck ausgeschlossen wird.

Stereotypien die angeblich den Druck mit beweglichen Lettern darstellen sollen
Stereotypien die angeblich den Druck mit beweglichen Lettern darstellen sollen

Was stattdessen gezeigt wird, ist der Druck von einer Stereotypie. Also eines Abgusses von einer aus einzelnen Lettern gesetzten Druckform. Und von dieser Stereotypie, eingentlich sind es sogar drei: für den schwarzen, blauen und roten Text, wird dreifarbig in einem Druckgang eine Seite der 42-Zeiligen Gutenbergbibel gedruckt. Nicht nur, dass Gutenberg nur einfarbig druckte, nein auch heute wird nicht in einer Druckform dreifarbig gedruckt! Auch wurden zu Gutenbergs Zeiten immer Doppelseiten gedruckt!

Fazit

Das Gutenberg-Museum war für mich eine große Enttäuschung. Und das nicht nur, weil es etwas angestaubt daher kommt. Am enttäuschendsten, wenn nicht sogar schockierend, ist der Umstand, dass DIE Erfindung von Johannes Gutenberg, nämlich der Druck mit beweglichen (sic!) Lettern so stiefmütterlich und historisch falsch dargestellt wird….

In diesem Sinne: Gott grüß die Kunst!

Wie seht Ihr das Ganze? Wart Ihr auch schon mal im Gutenberg-Museum in Mainz? Wie hat es Euch gefallen? Kennt Ihr andere Museen, die Euch aus ähnlichen Gründen auch nicht zusagten?

Hinweis: Ich wurde von Mainz Tourismus im Rahmen der Mainzer Sommerlichter eingeladen. Mein persönlicher Eindruck wurde dadurch jedoch nicht beeinflusst.

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6 Kommentare

  1. Hallo,
    hier meldet sich ein alter Buchdrucker. Von 1966 bis 1969 noch richtig Buchdrucker gelernt und gelte heute als Fossilie. Der Bericht ist sehr abschätzend und ich schätze das Gutenberg-Museum.
    Nun bin ich über das Bild https://www.reise-wahnsinn.de/wp-content/uploads/2017/10/Schliesszeuge_der_geschlossenen_Druckform-800×534.jpg auf den Block aufmerksam geworden. Die Abgebildete Druckform ist von einem Laien geschlossen worden und würde unter Umständen in der Praxis aus der Maschine heraus fallen. Selbst meine Lehrlinge haben besser geschlossen.
    Ich hoffe das Bild ist nicht aus dem Museum, aber in dem Museum sind halt keine Buchdrucker beschäftigt.
    Got grüßt die Kunst

    • Hallo Udo, Gott grüße sie!

      Ich muss Dich leider enttäuschen: Das Foto habe ich im ersten Obergeschoss aufgenommen. Und natürlich hast Du recht: Die Form könnte besser geschlossen sein. Bei meinem heutigen Arbeitgeber laufen noch ein Heidelberger Zylinder und ein Tiegel. Allerdings nur zum Stanzen, Prägen usw.. Dort wird auch sorgfältiger geschlossen.

      Ich freue mich aber, dass Du den Weg hierher gefunden hast und uns mit Deinem Wissen als gelernter Buchdrucker aufgeklärt hast!

      Viele Grüße,

      Ingo

  2. Widerspruch und zwar gewaltig:
    Gutenberg erfand nicht nur die beweglichen Lettern, sondern er konstruierte auch eine Handdruckpresse. Die Herstellung der beweglichen Lettern wird augenscheinlich sehr gut vorgeführt. Beim Druck mit der ebenfalls für die damalige Zeit und bis heute so folgenreich erfundenen Druckpresse ist es nicht so wichtig, ob mit einem Originaldruckstock, mit Bleisatz oder einem Galvano gedruckt wird. Die tägliche Abnutzung der Bleiseiten rechtfertigt den Einsatz eines Duplikates, weil es hier ja nur um die Demonstration des Druckvorgangs geht und die gedruckte Bibelseite eine schöne Erinnerung sein soll. Deshalb ist es auch nicht wichtig, dass dreifarbig – einzeln und für jedermann sichtbar – dann in einem Rückgängig gedruckt wird. Für Laien, die nicht viel von der ganzen Technik des Setzen und Drucken verstehen müssen, ist es eine wohldosierte und noch begreifbare Information.
    Fachsimpeleien, wie „Ausschließen der Druckform“, sind da für das Verständnis eher blockierend.

    • Sehe ich anders und habe dies auch versucht in meinem Bericht darzulegen. Gerade durch den mehrfarbigen Druck in einem Durchgang entsteht bei den Museumsbesuchern der Eindruck, dass damals und womöglich sogar heute mehrere Farben in einem Druckwerk von einer Druckform in einem Durchgang gedruckt würde. Das ist schlicht und ergreifend falsch und sollte in einem Museum welches sich der Druckunst (!) verschrieben hat so nicht dargestellt werden.

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