
Sich ein Wochenende nur mit Bier beschäftigen? Klingt nach einer tollen Idee, dachte ich mir und beschloss nach Belgien zu fahren, um dem Gerstensaft zu frönen. Naja, nur Bier war es nicht, was ich zu sehen und schmecken bekam. Aber der Reihe nach…

Gestartet habe ich meine kleine “Bier-Reise” in Mechelen. Die Stadt an der Dijle hatte ich nach etwas mehr als zwei Stunden von Köln aus bequem mit dem Auto erreicht. Schnell bezog ich mein Hotel-Zimmer auf dem Gelände der Brauerei Het Anker. Es ist mittags um eins. Die (erste) Brauereiführung steht an. Marie empfängt die Teilnehmer der Brauereiführung und führt uns erst mal aus dem Gelände der Brauerei hinaus. Nanu? Was hat es damit auf sich?
Ganz einfach: Nicht nur das Eingangsschild zur Brauerei gibt es zu sehen, sondern auch das Schild mit dem Straßennamen “Krankenstraat”. Und schon löst sich das Rätsel auf: Im Mittelalter stand hier das Siechenhaus des ehemaligen Großen Beginenhofs von Mechelen. Und da die Qualität des “Trinkwassers” im Mittelalter nicht wirklich zum Trinken geeignet war, braute man Bier, um die Kranken zu versorgen.

Nachdem das nun geklärt war, zogen wir in den Brausaal. Und lernten, was alles ins Bier muss und kann. Hopfen, Malz und Wasser – das wusste ich vorher schon. So steht’s ja auch im deutschen Reinheitsgebot. Da man in Belgien nicht an Selbiges gebunden ist, kommt mitunter noch eine ganze Menge anderer Zutaten in den Gerstentrank: Koriander, Sternanis oder Orangenschale seien hier nur exemplarisch genannt.

Sehr lehrreich waren für mich die Erläuterungen zum letzten Teil des Brauprozesses: Das Abkühlen des Bieres, bevor die Hefe zugesetzt wird und die Gärung beginnen kann. Denn damit die zugesetzte Hefe nicht sofort den Hitzetod stirbt, muss das Bier erst auf unter 20° Celsius abgekühlt werden. Früher geschah dies über ein großes Kühlbecken auf dem Dach der Brauerei und einen nachgeschalteten Kühler, an dem die Würze herunter rieselte. Heute ist dies nicht mehr erlaubt und daher erledigen moderne Kühlapparate nunmehr das Kühlen der Würze, wie das unvergorene Bier heißt.

Zum Ende unseres Rundgangs reibe ich mir kurz die Augen bzw. die Nase: In einer Etage des Lagersilos hängt in der Luft eine schwerer Whisky-Geruch. Und tatsächlich lagern hier hunderte Fässer mit Whisky zur Reifung. Denn seit ein paar Jahren wird ein Teil des Bieres zu Whisky gebrannt, der hier einen Teil als Schluck der Engel verdunstet.

Nach der Bierprobe brauche ich erst mal eine Stärkung, bevor ich den Belfried der Sint-Rombouts-Kathedraal besteigen werde. Und was bietet sich in Belgien mehr an als eine Tüte Fritten? Richtig: Eine Tüte Fritten mit Mayo 🙂

Mein “Verdauungsspaziergang” führte mich dann tatsächlich auf den Belfried der Kathedrale am Grote Markt. Nach ungezählten Treppenstufen genoss ich die Aussicht über Mechelen und die Umgebung. Leider lässt sich von dort nur schlecht fotografieren. Daher gibt es nur Fotos von der Kathedrale, als ich wieder unten war…


Während des Auf- beziehungsweise des Abstiegs vom Belfried konnte ich einen Blick von oben auf die Orgel der Kathedrale werfen:

Den Rest des Tages schlenderte ich durch die beschaulichen Gassen Mechelens und war überrascht, wie viele Gebäude als schützenswertes Kulturgut gekennzeichnet sind.



Nach diesem Tag fiel ich relativ früh ins Bett und schlief wie ein Stein… Am nächsten Morgen brach ich nach dem Frühstück auf und fuhr weiter nach Leuven.
In der “Bierhauptstadt” Belgiens gibt es nicht nur eine Menge Brauereien, sondern auch die weltberühmte Bibliothek der Universität. Diese wurde in beiden Weltkriegen schwer beschädigt und jeweils wieder aufgebaut. Jedoch ging jedesmal ein bedeutender Teil des Buchbestandes verloren.


Der Lesesaal ist wirklich beeindruckend und nicht umsonst wird die Bibliothek auch als “Kathedrale des Buches” genannt. Ich kann es jetzt besser verstehen.
Seit kurzem kann man auch den Turm der Bibliothek besteigen. Mittags um zwölf sollten man allerdings Ohrstöpsel mitnehmen oder sich die Ohren zuhalten, wenn das große Glockenspiel läutet. Die Glocken machen halt einen Mordslärm 😉

Irgendwann hatte ich die Aussicht genügend genossen und musste mich auch langsam beeilen, um nicht zu spät zu spät zum nächsten Besuch einer Brauerei zu erscheinen. Mein Weg führt mich zur Hausbrauerei Domus in der Tiensestraat.

Dort werden seit den 80er-Jahren traditionelle Biere gebraut, die ohne jegliche Zusätze daher kommen. Direkt von der Brauerei zum Zapfhahn gibt es diverse Biere, wobei mir das “Con Domus”, ein ungefiltertes Pils, am besten geschmeckt hat.

Die gesamte Ausrüstung der Brauerei hatte Domus im Übrigen von einer stillgelegten Klein-Brauerei in Bayern aufgekauft. Und so wird in deutschen Braukesseln belgisches Bier gebraut, welches wiederum auch dem deutschen Reinheitsgebot entspricht 😀

Mit genügend Bier intus und gut gestärkt – man kann im “Domus” nicht nur gut trinken, sondern auch gut essen – machte ich mich auf meinen weiteren Spaziergang durch die Stadt. Natürlich konnte ich mir das Stadhuis nicht entgehen lassen, auch wenn für eine Führung durch dass innere des Rathauses leider keine Zeit blieb.

Mein weiterer Spaziergang führte mich dann bis zum ehemaligen Industrie-Viertel “Vaartkom”.

Und irgendwann sehe ich auch die riesigen Anlagen von Anheuser-Busch InBev, oder kurz ABInBev. Hier wird Stella Artois gebraut. Dieses Bier dürfte Leuven weltweit bekannt gemacht und ihr daher auch den Titel der Bierhauptstadt der Welt eingebracht haben…

Leider endete meine Bier-Reise durch Flandern hier auch und nach einer Nacht im Hotel ging es den nächsten Tag wieder nach Hause.
Hinweis: Ich habe die Bier-Reise auf Einladung von VisitFlanders unternommen. Meine Meinung ist hierdurch nicht beeinflusst. Mit diesem Beitrag nehme ich am Flandern Blog Award 2015 teil.
Moin Ingo,
das sieht toll aus – reizt zum Nachmachen! Danke für die Anregung! War ja eh noch nie in der Ecke, das kommt mal auf die Bucketlist (die ich eigentlich nicht habe, aber pssst ;))
LG aus Tallinn im Regen
Hubert
PS: Hier gibt es auch lecker Bier ;))
Flandern ist immer eine Reise wert. Egal, ob es wie dieses Mal, Mechelen und Leuven waren, oder wie im letzten Jahr Gent.
Ein Hotel direkt auf dem Brauereigelände, wie praktisch.
Und was hat die Familie Busch mit Stella Artois zu tun? 😉
Liebe Grüße
Jessi
Tja, das Geheimnis, was unsere Familie mit Stella Artois zu tun hat, konnte ich nicht ganz aufklären 😀
Flandern und sein Bier stehen bei mir schon seit der ITB 2014 auf der bucket list. Nach deinem Bericht rutscht Flandern wieder mal nach oben.
Beste Grüße, Wolfgang
P.S.
Schön, mal wieder Fotos ohne schiefe Horizonte und übelst stürzende Linien in einem Blog zu sehen 😉 .
Flandern lohnt sich, Wolfgang!
Was die schiefen Horizonte angeht: Nervt mich auch immer wieder, so was zu sehen. Egal, ob es Blogs sind, oder nicht. Und die stürzenden Linien versuche ich soweit wie möglich zu vermeiden, sofern es das Bild möglich macht. Es freut mich umso mehr, dass es Dir aufgefallen ist 😉